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Beitrag vom 05.10.2011
Melancholia. Kinostart 06. Oktober 2011
Nina Breher
Das Ende der Welt ist da! "Melancholia" will alles Menschliche überwinden. Wen wundert´s? – Seine Vernunft überwand Regisseur Lars von Trier bereits kürzlich in Cannes durch dreiste Äußerungen...
...mithilfe derer er bei den internationalen Filmfestspielen auf dem Rücken des Holocausts Werbung für seinen neuesten Film machte.
Diese Bemerkungen haben wohl weniger mit dem Werk selbst zu tun hat als mit der Selbstinszenierung des dänischen Regisseurs, der auf diese Art und Weise versuchte, sich als Enfant terrible der internationalen Filmszene zu profilieren. Die inakzeptablen und Hitler verharmlosenden Aussagen, die historische Tatsachen verzerren, haften jedoch seitdem an seinem künstlerischen Schaffen wie die Melancholie an seinen Protagonistinnen.
Melancholie – sie umschwebt den Film und zerrt an den Nerven aller Figuren. Sie nimmt zwei Formen an: Einerseits ist sie als das, was landläufig als Depression bekannt ist, in der Psyche von Justine (Kirsten Dunst) präsent. Ihre zweite Erscheinungsform ist die eines Planeten, der ihren Namen trägt: "Melancholia" nähert sich der Erde und droht mit der Vernichtung der Menschheit.
Anspielungen auf die deutsche Romantik durchziehen diese doppelgesichtige Darstellung des Weltschmerzes – Richard Wagners omnipräsente Musik allem voran. Im Zusammenhang mit dem berühmt gewordenen Cannes-Vorfall sei nebenbei bemerkt, dass Wagner zu den Wegbereitern des Nationalsozialismus gehörte und aktiv antisemitische Stereotype verbreitete.
Die Romantik stilisierte die Melancholie zu einem Zustand, in welchem sich die Seele im Einklang mit der Natur befindet – und Lars von Trier treibt dies schamlos auf die Spitze. In letzter Konsequenz führt diese Denkweise unausweichlich zu nichts Geringerem als zur vollständigen Zerstörung, die aber angesichts der im Film propagierten Erkenntnis der Bedeutungslosigkeit allen Lebens nicht einmal relevant ist.
Vor allem Justine hat diese Einstellung verinnerlicht. Es ist ihr Hochzeitstag, doch inmitten der makellosen Festgesellschaft gelingt es ihr zunehmend schlechter, ihre schwere Depression im Zaum zu halten. Die Braut flüchtet sich in die Badewanne, auf den Golfplatz und in den Wald und kommt sogar zu spät zum Anschneiden der eigenen Hochzeitstorte. Ihre Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) versucht jedes Mal, sie zurückzuholen – vergebens. Noch in derselben Nacht entschließen sich Braut und Bräutigam (Alexander Skarsgård), in Zukunft getrennte Wege zu gehen. Maßlose Übertreibungen? Ja! Von Trier überspannt den Bogen in alle Richtungen, sodass der Film im Verlauf der Handlung derart skurril wird, dass mensch nicht mehr weiß, was er/sie denken soll und hoffen darf.
Im zweiten Teil des erzählten Geschehens hat Claire Justine bei sich aufgenommen, nachdem diese ihr Leben völlig aufgegeben zu haben scheint. Während sie ihre Schwester pflegt, badet und wieder aufzupeppeln versucht, begibt sich der Planet "Melancholia" auf Kollisionskurs. Zunehmend ändern sich neben den Stern- auch die Figurenkonstellationen, denn während Justine sich angesichts dieser Bedrohung, die elementarer nicht sein könnte, zu erholen scheint, ist es nun Claire, der die Kontrolle über ihre Psyche abhanden kommt und die sich in schierer Panik verliert.
Diese Karthographie von Depression und Angst entpuppt sich als eine detaillierte Studie menschlichen Verhaltens. Nicht zuletzt ist die Wirkmächtigkeit des Werks der grandiosen Besetzung zu verdanken. Charlotte Gainsbourg ist mittlerweile zu einer festen Größe in von Triers Filmen herangewachsen und ihr Talent bestätigt sich in "Melancholia" auf ein Neues. Doch die große Überraschung beschert Kirsten Dunst dem Publikum. Zu Recht hat sie in Cannes die silberne Palme für die beste schauspielerische Leistung erhalten: Sie macht sich großartig in der Rolle der debilen Justine und schafft vielleicht auf diese Weise den Sprung hinaus aus der Ecke der Hollywood-Actionkomödien, in denen sie meistens als personifiziertes Klischee in Erscheinung tritt.
AVIVA-Fazit: Nach "Antichrist", dem ominösen und gewaltvollen Vorgängerfilm aus dem Jahre 2009, scheint der umstrittene Regisseur Frieden geschlossen zu haben: Frieden mit der Depression, mit der übermächtigen Natur und mit der Kraft der Zerstörung, die der Welt in seinen Augen zugrunde liegt. Das Werk verneint das Menschliche, indem es ihm jegliche Bedeutung verweigert. Schon die Ouverture nimmt vorweg, dass das denkbar Schlimmste – der Weltuntergang – keine Relevanz hat. Das Ende der Menschheit ist lediglich der Kuss zweier Planeten, von denen der Eine den Anderen in sich aufnimmt. Das ist ein großartiges Bild, und auch die anderen visuellen Kompositionen sind wahre Hingucker, doch hinterlassen sie einen faden Nachgeschmack. Das soll es gewesen sein, das Ende der Welt?! Ein monumentales Stück Kino, über das sich nur eine sichere Aussage treffen lässt. Nämlich die, dass es keine endgültigen Schlussfolgerungen zulässt.
Zum Regisseur: Lars von Trier wurde am 30. April 1956 in Kopenhagen geboren und studierte an der Den Danske Filmskole. Seine Abschlussarbeit "Images of a Relief" (1982), welche sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus´ beschäftigt, wurde im Jahr darauf auf dem Münchner Filmfestival als bester Film des Jahres ausgezeichnet. Lars von Trier prägte die neue minimalistische Dogma 95-Ästhetik in Filmen wie "Dogville" (2003) und "Manderlay" (2005). Lars von Triers Filme wie "Element of Crime" (1984), "Dancer in the Dark" (2000) und "Antichrist" (2009) wurden beim Filmfestival in Cannes ausgezeichnet. Wenig bekannt ist, dass von Trier auch an der dänischen Firma Innocent Pictures beteiligt ist, die es sich zum Ziel gesetzt hat, frauenfreundliche Pornofilme von Regisseurinnen drehen zu lassen. (Quelle: www.moviepilot.de)
Melancholia
Dänemark 2011
Drehbuch und Regie: Lars von Trier
DarstellerInnen: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Charlotte Rampling, John Hurt, Alexander Skarsgård
Verleih: Concorde Filmverleih
Lauflänge: 130 Minuten
Kinostart: 06. Oktober 2011
www.melancholia-derfilm.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
The Tree – Ein Film mit Charlotte Gainsbourg. DVD-Start 02. September 2011
Antichrist (Lars von Trier)
Dancer in the Dark (Lars von Trier)
Charlotte Gainsbourg – IRM